- Rosa
Port St. Louis (FR) - Marseille (FR)
Den 31.07.2021 und 01.08.2021 verbrachten wir im Hafen von Port St. Louis mit Vorbereitungen fürs Maststellen und Segeln. Wir pumpten das Dinghy auf, testeten zum ersten Mal den Motor und fuhren eine Runde durch die Marina. Herrlich, das ist Urlaubsgefühl pur! Oskar bereitete das sog. stehende Gut (alle Drahtseile, die den Mast seitlich, vorne und hinten halten) und das laufende Gut (alle Seile, die man für die Segel am Mast benötigt) für das Maststellen vor. Für mich sah es immer noch unübersichtlich aus aber Oskar war zuversichtlich, dass wir das am Montag gut hinbekommen würden. Dann gingen wir einkaufen. Da man den Einkaufswagen vom Supermarkt bis an unseren Steg mitnehmen konnte, machten wir einen Getränke-Großeinkauf: Wasser, verschiedene Sorten Limonade, Bier, Rosé, Weißwein, Cidre, Gin und Tonic. Das sollte erstmal eine Weile reichen.
Ich begann, alles fürs Segeln zu verstauen und umzupacken. Trotzdem wird bei der ersten richtigen Schräglage sicherlich alles durcheinanderfliegen und muss dann nochmal anders verstaut werden. Da das Dinghy nun nicht mehr auf unserem Deck lag, konnten wir endlich das Sprayhood (Spritzschutz über dem Niedergang) befestigen. Unsere April sieht immer mehr aus wie ein Segelboot! Am Abend des 31.07. waren wir auf das Segelboot Sigrid eingeladen. Das Boot gehört Elisabeth und Per aus Dänemark, die mit ihren beiden Jungs (fünf und acht Jahre alt) unterwegs sind. Sie sind von Dänemark aus über Travemünde und die Kanäle nach Port St. Louis gefahren und wir haben sie in Lyon kennengelernt. Der Abend mit den beiden war sehr schön und da sie auch im Mittelmeer unterwegs sein werden, sehen wir sie vielleicht nochmal wieder. Es ist schon interessant, wie anders ihre Reise, ihr Tagesablauf und ihre Prioritäten dadurch sind, dass sie mit zwei kleinen Kindern unterwegs sind!
Am 01.08. putzten wir mal gründlich das Deck. Im Verlauf der letzten Wochen hat sich so viel Dreck auf dem Deck angesammelt, dass ein bloßes Abspritzen nicht ausreichte sondern wir alles penibel mit „Boots-Shampoo“ und Schwämmen schrubben mussten. Danach glänzte unsere April schon von Weitem und das weiße Deck strahlte mit der Sonne um die Wette. Die Mühe hat sich gelohnt!
Am Montag, den 02.08. trafen wir die letzten Vorbereitungen um in See zu stechen: ich machte einen Großeinkauf mit Proviant für die nächste Woche und Oskar fuhr mit dem Dinghy zu einem Marine-Laden und kaufte „Boots-Mumpe“ (d.h. mehr oder weniger notwendiger Krimskrams fürs Boot). Dann arbeitete Oskar und ich verstaute die Lebensmittel. Inzwischen ist in jeder Ritze des Vorschiffs Proviant, Putzzeug oder Geschirr verstaut- wie ein großes Puzzle. Um 15:30 Uhr hatten wir beim Navy Port Service den Termin fürs Maststellen. Wir waren überpünktlich da, Oskar überprüfte nochmal alles und dann ging es auch schon los. Wir mussten in eine kleine Einbuchtung fahren, dann kam ein Kran inkl. Kranführer und ein Mitarbeiter. Unser Mast wurde mit Seilen hochgehoben, in der Mitte am Mastfuß platziert und dann mit Bolzen befestigt. Dann wurde es unübersichtlich: die Maststützen mussten entfernt werden, die Wanten mussten seitlich befestigt werden, dann musste der Mast mittig austariert und die Wantenspanner eingedreht werden. Oskar und ich sprangen auf dem Boot rum und wollten überall gleichzeitig sein. Man bezahlt für eine halbe Stunde „Mast-Stellen“ mit dem Kran 100 Euro und jede weitere Viertelstunde kostet 50 Euro zusätzlich. Man will also nicht trödeln! Zum Glück halfen der Hafenmitarbeiter und Christoph (vom 28-Fuß-Segelboot Raav, den wir schon in Valence kennengelernt haben) mit und so schafften wir es in der vorgegebenen halben Stunde. Gut, dass Oskar alles so akribisch vorbereitetet hat! Das war eine riesige Hilfe und ich staune, wie er sich in dem Draht- und Seilgewirr zurechtzufinden kann.
Dann legten wir am Kai seitlich an einem anderen Segelboot an. Oskar machte (mit mir als Handlanger) ein Feintuning der Wanten, sortierte Tampen und befestigte das Lazy-Jack-System. Nun sieht unsere April wirklich wie ein Segelboot aus! Dann holten wir die nagelneuen Segel aus ihren Taschen. Neue Segel sind etwas ganz besonderes: schön gefaltet und verpackt wie ein Geschenk, steifes Tuch, strahlend weiß. Das Großsegel bereitete uns Sorgen, denn die Segellatten (Kunststoffleisten, die die Segelfläche vom Großsegel vergrößern) passten nicht in die eingenähten Taschen. Das müssen wir in den nächsten Tagen klären und eine Lösung dafür finden. Als wir mit der Genua (ein großes Vorsegel) fertig waren, waren wir beide erschöpft. Was für ein Tag! Nach dem Abendessen machten wir einen Spaziergang über das Gelände. Der Navy Port Service bietet auf einer riesige Freifläche hunderte Trockenplätze für Boote. Auf dem weitläufigen Gelände stehen unzählige Segelboote und einige Motorboote aufgebockt. Die Boote sind in langen Reihen aufgereiht, haben alle den Mast gestellt und können mithilfe spezieller fahrender Kräne mitsamt Mast vom Stellplatz bis zum Wasser gefahren und dann ins Wasser gelassen werden. Da der Kran bis 50 Tonnen heben kann, sind riesige Schiffe dabei. Wahnsinn! Wir sind über das Gelände gelaufen und haben uns die vielen Boote angeschaut. Erstaunlich viele werden aktuell renoviert, einige sind zu verkaufen, viele wurden schon lange nicht mehr benutzt und manche kann man eher als Wrack bezeichnen.
Am 03.08. segelten wir zum ersten Mal auf der Reise!
Oskar arbeitete morgens und um 10:30 Uhr legten wir am Port Navy Service ab. Mit dem Motor fuhren wir zum Golfe de Fos und von dort auf das offene Meer. Um uns herum waren riesige Containerschiffe, Schlepper, Segelboote und Angler mit kleinen Motorbooten. Puh, das war schon ein anderer Verkehr als auf den Kanälen und Flüssen! Als wir den Golf verlassen hatten und auf Höhe des Cap Couronne waren, setzten wir zum ersten Mal ein Segel. Wie toll!!! Aber schon nach ein paar Minuten war die erste Begeisterung vorbei, denn die Genua löste sich aus ihrer Befestigung. Es ist schwer zu erklären, aber ich versuche es: ein Keder ist die Randverstärkung eines Tuchs/Segels und hat einen runden Querschnitt. Dieser Keder wird in eine Kederschiene eingeführt, die als Führungsnuht dient. Mit dem Keder in der Kederschiene kann die Genua normalerweise hochgezogen und gespannt werden und hält auch bei starkem Wind in der Nuht. Leider hat unser nagelneues Segel einen zu schmalen Keder. Das führt dazu, dass die Genua bei etwas Wind aus der Befestigung rutscht und somit nicht mehr an der Rollfockanlage befestigt ist. Somit kann man die Genua nicht mehr ein- und ausrollen und sie hängt wir ein dreieckiges Bettlaken ohne Stabilität an drei Punkten befestigt vor dem Boot. Sehr ärgerlich! Wir segelten mit der losen Genua etwa zwei Stunden weiter und hatten immerhin knapp 4 Knoten Geschwindigkeit obwohl der Wind nur schwach war. Wir ärgerten uns, genossen aber trotzdem sehr das Segeln und die Stille ohne den Motor.
Eigentlich wollten wir an der Insel vor Marseille ankern. Kurzfristig planten wir aber um und fuhren nach Marseille rein, um unser Segel ändern zu lassen. So können wir die Genua nicht vernünftig nutzen und leider ist das nichts, was wir selbst reparieren könnten… Um nach Marseille reinzufahren und noch vor Ladenschluss anzukommen, mussten wir etwa eine Stunde bei fiesen Wellen von achtern (d.h. von hinten) fahren. Wir wurden kräftig durchgeschüttelt und uns wurde beiden etwas flau im Magen.
Der Vieux Port in Marseille ist beeindruckend groß. Wir bekamen einen Liegeplatz bei einer der Marinas namens CNTL und während ich alles mit dem Hafenmeister klärte, packte Oskar die Genua zusammen. Dann stürmten wir los, schließlich wollten wir noch vor Feierabend da sein! Wir liefen zielstrebig zu einer Filiale von „Ullmann Sails“, der Firma, die unsere Segel angefertigt hat. Leider war die Segelmacherei geschlossen und wir erfuhren, dass der Laden bis Ende der Woche zu hat. Mist! Dann suchten wir aus dem Internet eine Alternative namens „Pepper Sails“ raus. Wir liefen wieder los, Oskar mit dem großen Segel im Arm, ich mit dem Handy zum Navigieren in der Hand. Die Leute von „Pepper Sails“ waren sehr freundlich und verstanden unser Problem, wollten aber den Firmennamen von der Rollfock-Anlage wissen. Da wir den nicht kannten, sind wir zurück zum Boot gehastet. Mit einem Foto vom Logo kamen wir wieder bei „Pepper Sails“ an, aber der Segelmacher kannte die Firma namens Nemo nicht. Dann suchte er uns auf gut Glück einen Keder raus, schnitt ein Stück ab und bat uns, am Boot auszuprobieren ob die Größe (6mm statt den vorherigen 5mm) passt. Also gingen wir wieder zurück zum Boot, testeten das Stück und es passte! Somit liefen wir zum dritten Mal innerhalb von einer guten Stunde zu „Pepper Sails“ und bestätigten pünktlich zum Feierabend um 18:30 Uhr den Auftrag. Der Segelmacher meinte, dass er am nächsten Nachmittag mit der Änderung fertig sei… hoffen wir mal, dass er diesen optimistischen Zeitplan einhält!
Abgesehen vom Abendessen kochen machten wir abends nichts mehr. Wir waren erschöpft von der Aufregung, dem Wind, den Wellen, der prallen Sonne und der Hitze, dem ersten Segeln und dem Gehetze wegen der Segelmacherei. Natürlich wäre es besser gewesen, wenn die Segel perfekt gepasst hätten, aber wir freuen uns, dass wir direkt heute zu einer Segelmacherei gehen konnten und hoffentlich morgen schon das Segel geändert zurückbekommen werden.