- Rosa
Dun-Sur-Meuse (FR) - Verdun (FR) - Lacroix-Sur-Meuse (FR)
Am 15.06.2021 fuhren wir 23nm von Dun-Sur-Meuse nach Verdun. Das Thema des Tages war das EM-Spiel Deutschland gegen Frankreich. Von den neun Schleusen, die wir passierten war eine per Selbstbedienung zu steuern, die anderen acht waren manuell. „Manuell“ heißt in diesem Fall, dass ein Schleusenwärter mit seiner eigenen Armeskraft kurbelt, um die Türen zu öffnen bzw. zu schließen und das Wasser in die Schleusenkammer zu lassen. Für die acht Schleusen waren drei verschiedene Schleuser zuständig, die zwischen den Schleusen mit dem Auto hin und her fuhren und uns an der jeweils nächsten Schleuse erwarteten. Ich fragte den einen Schleuser, wie viele Boote pro Woche ungefähr durchkommen: durchschnittlich eins pro Tag.
Alle drei Schleuser (sowie die Fahrradfahrer, die an den Schleusen eine Pause einlegten und den Schleusern bei ihrer schweißtreibenden Arbeit zuschauten) kommentierten das abendliche Fußballspiel und wollten unseren Tipp wissen. Natürlich waren die drei Schleuser der Meinung, dass Frankreich gewinnt (der eine tippte sogar 5:0), Oskar sagte diplomatisch 2:2 und ich stellte mich auf die Seite der Franzosen. Der eine Schleuser rief uns auf Französisch zu: „Wird Frankreich das Spiel gewinnen? Sagt ja, sonst lasse ich euch nicht durch die Schleuse“ und die umstehenden Fahrradfahrer stimmten ihm lauthals zu. Aber alles war in freundlichem und lachendem Tonfall. Als der eine Schleuser fragte, wohin wir heute fahren, sagte er: „Ihr fahrt nach Verdun? Dann werdet ihr in Verdun sehen, dass Frankreich wieder gegen Deutschland gewinnt“.
Am frühen Abend kamen wir in Verdun an. Wir legten an einem kostenlosen Liegeplatz im Stadtzentrum an und holten uns direkt nach dem Anlegen ein Eis. Darauf haben wir uns schon den ganzen Tag gefreut! Das Fußballspiel hätten wir gerne irgendwo draußen geschaut und uns unter die Franzosen gemischt, aber leider hatten die Bars und Restaurants keine Bildschirme oder Leinwände aufgebaut. Schade! So schauten wir das Spiel mit Oskars Laptop an Bord. Da unsere Übertragung ca. 20s vor der der Franzosen war, hörten wir den Jubel oder Ärger der Franzosen zeitversetzt und konnten schon voraussehen, was für Rufe wohl gleich aus den Häusern um uns herum kommen werden. Wir haben vorsichtshalber unsere Deutschlandflagge abgenommen, was bei dem Endstand von 0:1 nicht nötig gewesen wäre.
Am 16.06. blieben wir in Verdun. Oskar arbeitete bis mittags, dann wollten wir uns das Museum und die Gedenkstätte von der Schlacht von Verdun anschauen. Da das ehemalige Schlachtfeld 15km von Verdun entfernt und nur mit dem Auto erreichbar ist, wollten wir ein Taxi nehme- aber: weder am Taxistand gab es ein Taxi, noch erreichten wir telefonisch ein Taxiunternehmen. Im Touristenzentrum half uns jemand weiter und rief ein Taxi, das in ein paar Minuten kommen sollte und bekräftigte dies nach ein paar Minuten nochmal. Als 45 Minuten später immer noch kein Taxi zu sehen war, entschieden wir den Plan mit dem Museum zu verwerfen. Stattdessen machten wir einen langen Spaziergang durch die Stadt, aßen jeder einen gigantischen Eisbecher, holten Diesel und gingen einkaufen. Verdun ist eine aufgeweckte und hübsche Stadt, die uns beide positiv überrascht hat. Die Schlacht von Verdun ist überall präsent und an jeder Ecke sind Denkmäler, Gedenktafeln und Statuen, die an den Krieg erinnern, zu Frieden ermahnen und Helden ehren. Trotzdem haben dieses Kriegsgedenken und die vielen Mahnmale weder einen bedrückenden, noch einen kitschigen Charakter sondern sind wie selbstverständlich ins Stadtbild integriert.
Am 17.06. wollten wir eigentlich von Verdun nach Saint-Mihiel fahren, aber schafften es nur bis Lacroix-sur-Meuse. Wir hatten uns für die Schleuse von Verdun für 09:30 Uhr angemeldet aber als wir pünktlich dort waren, war weit und breit kein Schleuser zu sehen. Neben der Schleuse war ein VNF-Gebäude, was einem Wasserstraßen-Verwaltungsbezirksbüro entsprach. Wir legten vor der Schleuse an und gingen zum Gebäude. Die Tür sowie mehrere Fenster standen sperrangelweit offen, so dass man in die Büros und durch das gesamte Gebäude hätte gehen können. Wir klingelten trotz offener Tür, riefen laut… aber nichts geschah. Anscheinend war niemand im Haus. Wir liefen um das Haus, um nach den Mitarbeitern zu suchen, schließlich könnten sie ja eine Raucherpause hinter dem Haus eingelegt haben. Aber wir fanden niemanden. Wir riefen die Nummer des Büros an (bei der Nummer meldet man sich auch fürs Schleusen an etc.) aber hörten nur drinnen das Telefon klingeln. Wir hätten selbst reingehen und ans Telefon gehen können weil alles so frei zugänglich war! Es war ein bisschen unheimlich, da in den Büros noch die Rucksäcke lagen, Handys auf dem Schreibtisch waren und die Fenster der VNF-Autos offen standen. Als hätte es eine Erdbebenwarnung gegeben von der nur wir nichts mitbekommen haben! Irgendwann kam eine Frau und wollte einen Brief für einen der VNF-Mitarbeiter abgeben. Als wir ihr die Situation und unser Warten schilderten und sie sah, dass die Türen und Fenster offen standen, sagte sie empört, dass das eine unverantwortliche Katastrophe ist und in von Sarkasmus triefendem Ton: „Vive la France!“. Tja, das lag uns auch auf den Lippen. Wir riefen die VNF-Zentrale an, die sich auch nicht erklären konnten wo die Mitarbeiter waren und ebenfalls nur die Nummern anrufen konnten, deren Telefone an den leeren Schreibtischen klingelten.
Um kurz vor 12 Uhr kamen wie aus dem Nichts vier Mitarbeiter, fragten uns nach unserem Anliegen (da warteten wir schon 2,5 Stunden und unsere Geduld war fast am Ende), waren überrascht, dass wir schon so lange warten, gingen wie selbstverständlich durch die offen stehende Tür und schlossen sie hinter sich. Ein paar Minuten später kamen sie wieder raus, gingen in aller Ruhe an uns vorbei und machten sich offensichtlich auf dem Weg zum Mittagessen. Keine Entschuldigung, keine Erklärung wo der Schleuser ist, keine Begründung warum sie weder telefonisch erreichbar noch im Büro waren. Als einer von ihnen zurückkam, sagte ich ihm nochmal, dass wir einen Termin fürs Schleusen hatten und immer noch darauf warten. Er rief jemanden an, der ein paar Minuten später kam und uns schleusen sollte. Man sah und merkte dem Mann an, dass er das Schleusen womöglich mal gelernt hat, aber nicht in Übung ist. Er hatte ein schönes helles Hemd an, einen Strohhut auf dem Kopf und sogar Oskar und ich hätten die Schleuse besser und schneller bedienen können als dieser VNF-Mitarbeiter.
Ab der nächsten Schleuse hatten wir dann für den Rest des Tages einen Schleuser, der mit seinem Auto zu der jeweils nächsten der sieben Schleusen fuhr und uns dort erwartete. Während er die manuellen Schleusen bediente, redete der Schleuser wie ein Wasserfall: erst hat er mit Oskar über Fußball geredet (da der Schleuser kein Englisch konnte und Oskar kein Französisch, beschränkte sich das Gespräch auf das abwechselnde Nennen von Fußballernamen und entsprechender Mimik und Gestik dazu) und dann mit mir über seine Kinder, seinen Bruder, seine Arbeit, das Wetter, das Wasser etc.
Eigentlich wollten wir nach Saint-Mihiel aber da der Schleuser um 17 Uhr Feierabend machte, kamen wir nur bis Lacroix-sur-Meuse. Wir vereinbarten mit ihm, dass er uns am nächsten Morgen um 9 Uhr durch die Schleuse von Lacroix-sur-Meuse schleust und wir dann unseren Weg fortsetzen können.
Trotz dieser drei Stunden Verzögerung, die dazu führten, dass wir unsere Etappe nicht schafften, war es ein sehr schöner Tag. Die Strecke war wieder wunderschön und zwischendurch machten wir eine Weile den Motor aus und trieben durch das Paradies aus Libellen und Vögeln. Herrlich!
Lacroix-sur-Meuse ist ein kleiner Ort, für den es sich nicht anzuhalten gelohnt hätte. Aber immerhin gab es am Anleger einen Gartenschlauch und wir konnten uns mit kaltem Wasser abduschen. Heute haben wir ein Thermometer in die Sonne gelegt: Das Thermometer krabbelte bis zum Maximum und blieb bei 50 Grad stehen! Aber auch im Schatten war es mit 35 Grad sehr heiß und somit war die kalte Dusche am Abend eine Wohltat.