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  • Rosa

Charmes (FR) - Thaon-les-Vosges (FR) - Girancourt (FR) - Bains-les-Bains (FR)

Am 23.06.2021 fuhren wir nur eine kurze Etappe von Charmes nach Thaon-les-Vosges. Wegen zehn Schleusen (die heute aber mal einwandfrei funktionierten) brauchte wir für die 10nm d.h. 18,5km fünf Stunden. Da auf dem Canal des Vosges alle Schleusen gleich gebaut sind, haben wir inzwischen ein gutes System: ich fahre in die Schleuse rein, Oskar klettert die Leiter an der Backbordseite der Schleuse hoch, macht beide Leinen fest und wirft mir eine zu. Dann geht Oskar auf die andere Seite der Schleuse, betätigt die blaue Stange, so dass der Schleusenvorgang beginnt, läuft wieder zurück zum Boot und klettert die Leiter herab um die Bugleine zu halten. Je weiter hinten in der Schleuse wir sind, desto weniger Druck müssen die Leinen und unsere Arme standhalten. Die Schleusen des Canal des Vosges wurden alle um 1880 gebaut und nur wenige haben ausgebesserte Wände. Aber insgesamt scheint die Mechanik besser in Schuss zu sein als bei den Meuse-Schleusen.

Kurz vor Thaon-les-Vosges war eine Kiesgrube, an der kleine Binnenschiffe mit Kies beladen wurden und dann hinter Thaon-les-Vosges den Kies an einer Brechfabrik abluden. Diese ca. 5km des Canal des Vosges waren somit für die Berufsschifffahrt ausgelegt und die Schleusen dementsprechend gut in Schuss gehalten. Die drei Schiffe, die auf den ca. 5km hin und her fuhren, waren sog. Péniches. „Péniche“ bezeichnet eine Art Mini-Frachtkahn, der früher das genutzte Lastschiff auf den französischen Kanälen war. Die Schleusen haben alle das Format eines Péniche der sog. Freycinet-Klasse: maximal 38,5 x 5,5m und beladen mit 250t maximal 1,8m Tiefgang. Ein Péniche hat die Kapazität von vier Güterwaggons bzw. sieben LKW-Ladungen. Der Canal des Vosges wurde nach dem Deutsch-Französischen Krieg erbaut, bei dem 1871 das Elsass und Teile Lothringens an Deutschland fielen. Um in Nord-Süd-Richtung verlaufende Wasserwege auf französischem Territorium für die Frachtkähne zu haben, wurde die Meuse kanalisiert und mit Schleusen bestückt sowie der Canal des Vosges erbaut. Inzwischen werden die Meuse und der Canal des Vosges bis auf kurze Abschnitte nicht mehr von der Berufsschifffahrt genutzt. Man kann sich kaum vorstellen, dass auf diesen verwunschenen Kanälen mal reger Betrieb mit Lastschiffen bzw. Pénichen war! Einzige Überbleibsel sind die standardisierten Schleusenmaße, das standardisierte Wohnhaus für die Schleuser an jeder Schleuse (die meisten sind noch bewohnt) und der Zustand der Schleusen, die seit 140 Jahren kaum ausgebessert oder gar modernisiert wurden. Zwischen 1999 bis 2010 wurden die Fernsteuerungen zur Selbstbedienung der Schleusen an Meuse und Canal des Vosges installiert aber unserer Erfahrung nach ist bei etwa 1/3 der Schleusen die Selbstbedienung nicht funktionstüchtig.

Die Hausboote und Restaurantschiffe, die man in Deutschland, Niederlande und Frankreich sieht, sind oft Péniches, die früher als Lastkähne unterwegs waren und dann zu Wohnungen oder Restaurants ausgebaut wurden.

Am Nachmittag kamen wir in Thaon-les-Vosges an einem kostenlosen Liegeplatz an. Oskar arbeitete, ich hörte ein Hörbuch. Später liefen wir durch den kleinen Ort, über den man leider nur sagen kann, dass er trostlos und vernachlässigt aussah. Wir holten Diesel mit dem Hackenporsche, schauten abends Fußball und waren erleichtert, dass sowohl Deutschland als auch Frankreich ins Achtelfinale gekommen sind. Dann machten wir es uns gemütlich: ich mit Aquarellfarben, Oskar hat weiter gearbeitet.


Am 24.06. regnete es morgens in Strömen. Als es dann auch noch gewitterte, entschieden wir abzuwarten bis der Regen sich bessert und erst dann loszufahren. Es war eine gute Entscheidung! Ab 11 Uhr wurde das Wetter besser. Vor uns lagen 10,5nm und 19 Selbstbedienungschleusen… und da jede Schleuse im günstigsten Fall 15 Minuten dauert, war uns schon klar, dass es ein langer Tag wird. Irgendwie war der Wurm drin und die ersten fünf Schleusen hatten alle technische Probleme, so dass wir jedes Mal VNF-Mitarbeiter zur Hilfe rufen mussten. Bis die dann angefahren kamen, dauerte es nochmal extra. Wegen der Schleusen, der ignoranten Péniche-Schiffe, dem Wetter und noch anderer Nervereien hatten wir im Laufe des Vormittags keine gute Laune. Aber zum Glück besserte sich ab der sechsten Schleuse sowohl das Wetter als auch die Funktionsfähigkeit der Schleusen und es gab keine Péniche-Schiffe mehr. Somit wurden wir wieder heiter und die schlechte Laune war verflogen. Wir passierten die Schleusentreppe von Golbey: 15 aufeinanderfolgende Schleusen aller 150-300m auf einer Strecke von 3,2 km. Puh! Die Schleusentreppe überwindet 44m. Nach der Schleusentreppe wurden wir mit einem besonders malerischen Abschnitte des Kanals belohnt. Bei der letzten der 19 Schleusen dieser Etappe erreichten wir den Scheitelpunkt unserer Reise bei 382 Metern über dem Meeresspiegel. Ab jetzt sind die Schleusen bergab d.h. nach unten, was deutlich einfacher ist.

Abend um kurz nach 19 Uhr kamen wir am kostenlosen Anleger in Girancourt an. Da es direkt zu regnen begann, machten wir keinen Spaziergang durch den Ort sondern blieben unter Deck. Oskar machte Artischocken mit Vinaigrette, dazu aßen wir Quiche Lorraine, den Oskar morgens frisch bei einer Boulangerie gekauft hat.

Am 25.06. toppten wir unseren bisherigen Schleusenrekord und passierten 27 (!) Schleusen auf dem Weg von Girancourt nach Bains-les-Bains. Zum Glück funktionierte jede Schleuse wie sie sollte und es ging fast alles glatt. Die beiden einzigen Schwierigkeiten heute waren, dass wir einmal vor einer Schleuse im Schlamm feststeckten und Oskar uns rausziehen musste und er einmal ins Wasser musste um den Propeller von Algen zu befreien. Da die Schleusen reibungslos funktionierten brauchten wir für die 11,5 nm (ca. 21 km) und 27 Schleusen „nur“ acht Stunden. Der Kanal schlängelte sich an Hügeln und Tälern vorbei und wieder waren wir von der Landschaft begeistern.

Abends kamen wir an einem Anlegeplatz bei Bains-les-Bains an. Von dem Ort sahen wir nichts sondern waren umgeben von Wald, zwei Häusern und einem Wohnmobil. Der Anleger hatte weder Wasser noch Strom aber einen schönen Picknickplatz. So kochten wir unser Abendessen mal an Land und konnten beim Essen auf unsere April schauen. Wunderbar!


Zwei denkwürdige Kleinigkeiten aus den letzten Tagen, die ich bisher nicht aufgeschrieben habe:

  1. Oskar kauft morgens immer ein Baguette und manchmal ein Croissant. Vor ein paar Tagen brachte er zwei Croissants mit, eins mit Mandel bzw. Marzipan für sich selbst und eins mit Schokolade für mich. Beide Croissants hatten Zuckerguss oben drauf. Zuckerguss?!?! Auf einem Croissant? Die spinnen, die Franzosen!

  2. In einem Supermarkt (ich glaube es war in Toul) bezahlte die ältere Dame vor uns an der Kasse mit einem Scheck. Ich habe es erst gesehen, als Oskar mich darauf hinwies aber konnte es dann genau beobachten: sie füllte mit Kugelschreiber einen Scheck in Höhe des Einkaufs aus und die Kassiererin schob den Scheck in eine Maschine (um ihn zu entwerten?) und heftete ihn dann ab. Oskar und ich waren perplex und trauten unseren Augen kaum. Wir wussten nichtmal, dass Schecks überhaupt noch akzeptiert wurden, geschweige denn, dass jemand noch Schecks im Alltag nutzt! Aber dann sahen wir, dass jede Kasse des Supermarkt so eine Scheckmaschine hatte. Wieder eine Bestätigung dafür, dass die Uhren hier anders ticken!



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