- Rosa
Ajaccio (FR) - Hyères (FR) - Saint-Mandrier-sur-Mer (FR)
Am Donnerstag, der 09.09.2021 starteten wir vormittags unsere längste Etappe: von Ajaccio an der Westküste Korsikas nach Hyères an der Côte d‘Azure. Der Wind sah optimal aus um von Ajaccio an die französische Küste zu segeln. Eigentlich hatten wir geplant, von Calvi aus den großen Schlag zu fahren, aber laut Vorhersage würde der Wind in den nächsten Tagen nicht wieder so geeignet sein. Also entschieden wir, Korsika früher zu verlassen als geplant und unsere Fahrt ans Festland vorzuziehen.
Um 09:45 Uhr legten wir ab. Leider machte uns der Wind einen Strich durch die Rechnung: statt wie vorhergesagt aus Nordosten zu wehen, kam der Wind aus dem Nordwesten und somit genau von vorne. Immerhin war der Wind nur schwach, so dass wir gut mit dem Motor fahren konnten. Aber so hatten wir uns das nicht vorgestellt! Mit jeder Stunde hofften wir, dass der Wind sich dreht und wir segeln könnten…
Während der Fahrt sahen wir dreimal Delfine. Wir haben schon seit Wochen darauf gehofft und endlich war es so weit! Jedes Mal war es eine Gruppe von Delfinen, die nah am Boot aus dem Wasser sprangen und uns vor Begeisterung jubeln ließen. Die eine Gruppe schwamm sogar ein paar Minuten neben uns und man hatte das Gefühl, als würden sie absichtlich ihr Tempo anpassen um uns ein Stück zu begleiten.
Als es dunkel wurde und wir schon lange nicht mehr die Umrisse von Korsika sehen konnten, fuhren wir immer noch mit dem Motor. Ja, das Fahren mit wenig Wind und Wellen war angenehm und der monotone Motor war ein ein beruhigendes Geräusch in der dunklen Nacht… aber wir dachten ständig daran, dass wir den Motor überstrapazieren könnten. Und was wäre, wenn der Motor ausfällt? Wir waren weit weg vom Land und sahen nur aller paar Stunden mal ein anderes Schiff!
Um 02:30 Uhr, als ich gerade am Steuer war, nahm endlich der Wind zu und kam aus nordöstlicher Richtung! Nach über 16 Stunden Motorfahrt setzten wir die Segel und bis etwa 4 Uhr nachts segelten wir angenehm und von Sternschnuppen begleitet durch die Stille der Nacht. Mir war trotzdem etwas mulmig zu Mute, da das schwarze Wasser und die fernen Gewitter am Horizont mich beunruhigten. Aber eigentlich waren diese dreieinhalb Stunden ideale Bedingungen zum nächtlichen Segeln.
Ab etwa 4 Uhr nachts wurde der Wind deutlich stärker und wehte mit 25-30 Knoten, in Böen waren es ein paar Knoten mehr. Dazu kamen 2-3m große Wellen: da der Wind aus Nordosten und somit seitlich kam, rollte die Dünung von der Seite und brachten ständig unseren Kurs durcheinander. Manchmal kamen drei oder vier Wellen kurz hintereinander, so dass wir in die schmalen Wellentäler sackten. Ein unschönes Gefühl!
Wir segelten nur mit einem Viertel unserer Genua, das reichte schon um 4-5 Knoten Fahrt zu haben. Wir waren beide extrem angespannt: die hohen Wellen, der starke Wind mit den Böen, dazu die Dunkelheit und die Gewitter in der Ferne machte uns beiden zu schaffen. Zwar hatten wir unsere Schwimmwesten an, waren immer an zwei Punkten mit den Lifebelts eingehakt aber trotzdem fühlten wir uns wie in einer Nussschale auf dem großen Meer. Irgendwann gegen 7 Uhr ging die Sonne am diesigen Himmel auf. Ich war erleichtert, denn im Hellen ist für mich alles halb so dramatisch. Aber leider war nicht (wie ich innerlich gehofft hatte) Land in Sicht. Ich schaute auf unsere Seekarte und sah, dass wir erst etwas über die Hälfte des Wegs geschafft haben und voraussichtlich erst in 11 Stunden ankämen. Ich hatte einen kleinen Nervenzusammenbruch: nicht geschlafen, wegen der Anspannung war mein Magen so zusammengekrampft, dass ich nichts essen konnte, ich fühlte mich durch das Festklammern (ich habe mich viel mehr am Boot festgehalten als nötig gewesen wäre) schwach und insgesamt ausgelaugt. Zum Glück hatte Oskar Nerven aus Stahl und übernahm das Steuer, so dass ich mich sammeln konnte. Doch da wir beide seit fast 24 Stunden an Deck waren und auch er nicht geschlafen hat, waren zwar Oskars Nerven noch intakt aber seine Kraft nahm ebenfalls ab. So passierte etwas, was bisher auf unserer Reise nicht geschehen ist: Oskar „fütterte die Fische“. Wahrscheinlich war es eine Mischung aus Seekrankheit, Anspannung und einem frühmorgendlichem Keks, die ihm den Magen umdrehte. So waren wir beide angeschlagen: Oskar war übel und er fühlte sich kraftlos, ich war mit den Nerven und meiner Energie am Ende. So segelten wir den ganzen Tag weiter…
Im Lauf des Vormittags hatten wir eine kleine, schöne Aufheiterung. Oskar (der gerade am Steuer war) rief mit aufgeregter Stimme: „Rosa, da ist ein Wal im Wasser!“. Ich drehte mich um und sah nichts. Während Oskar noch probierte mir zu erklären, dass er wirklich einen Wal gesehen hat und sich bestimmt nicht täuschte, sah ich ihn auch. Wenige Meter neben unserem Boot tauchte ein großer grauer Rücken mit kleiner Finne auf und prustete eine Fontäne in die Luft. Es war tatsächlich ein Wal! Wie verrückt ist das denn!?
Ab etwa 14 Uhr konnten wir endlich am Horizont das Land erahnen. Es war sehr diesig, das erschwerte die Sicht und erst als wir nur wenige Meilen vor der Insel Port-Cros waren, konnten wir sie richtig sehen. Ein beruhigendes Gefühl und endlich hatten wir wieder Telefonempfang. Der Wind und die Wellen bzw. Dünung nahmen ab 16:30 Uhr endlich ab und dafür begann es zu regnen. So fuhren wir die letzten zwei Stunden im Regen aufs Festland zu. Hinter der Insel war der Wind so schwach, dass wir den Motor anschalten mussten.
Um kurz 18:45 Uhr kamen wir nach 142nm d.h. 262km und 33 Stunden im Hafen von Hyères an. Wir legten an, gingen duschen und dann den größten Burger essen, den wir finden konnten. Dann fielen wir erschöpft ins Bett…
Am 11.09. standen wir trotzdem früh auf und putzten das Boot. Einerseits ist das nach einer Überfahrt eh notwendig, andererseits waren wir am Nachmittag mit Peter verabredet, der unsere April besichtigen wollte. Also putzten wir, räumten auf, gingen einkaufen und um 13:30 Uhr stand Peter vor unserem Liegeplatz. Er hat einen großen Aufwand auf sich genommen: er ist extra für die Besichtigung von München über Frankfurt nach Marseille geflogen und hat dann einen Zug genommen, um uns in Hyères zu treffen und für die Nacht ein Hotel im nahegelegenen Toulon gebucht. Respekt, das ist Einsatz! Schon nach wenigen Augenblicken waren wir begeistert von Peter, was unter anderem daran lag, dass er uns „Asterix auf Korsika“ und eine Flasche Rosé, passend zu meinem blau-weiß gestreiften Kleid schenkte. Damit hat er schon Sympathiepunkte bei uns gesammelt, noch ehe er richtig an Bord war!
Wir legten direkt ab und übergaben ihm schon in der Hafenausfahrt die Pinne. Dann segelten wir nach Saint-Mandrier-sur-Mer. Zwischendurch mussten wir zwischen Insel und Festland den Motor nutzen aber ansonsten war es ein herrlicher Segeltag. Peter probierte verschiedene Kurse und Manöver aus, ließ sich das ganze Boot zeigen, stellte die richtigen Fragen und war ein guter Steuermann. Es war sehr ungewohnt, dass Oskar und ich mal gleichzeitig an Deck sitzen konnten und uns weder um die Pinne noch die Segel kümmern mussten. Eine Premiere auf unserer Reise und wir genossen es! Wir merkten schnell, dass wir uns mit Peter gut verstanden und wir uns wohlfühlten, als er am Steuer war. Es fühlte sich eher wie ein toller Segeltag mit einem Freund an, als ein Testsegeln für einen möglichen Verkauf!
Abends kamen wir nach 20nm im Hafen von Saint-Mandrier-sur-Mer an. Zum ersten Mal auf unserer Reise kamen wir zu einem Hafen zurück, bei dem wir schon waren! Abends aßen wir gemeinsam an Deck verschiedene französische Käse- und Wurstsorten mit Baguette, Oliven, Weintrauben und vielem mehr. Gegen 21:30 Uhr nahm Peter die Fähre nach Toulon und wir verabredeten, uns am nächsten Tag wiederzusehen.
Es war ein schöner Segeltag, wir verstanden uns super und wir hätten ein sehr gutes Gefühl dabei, unsere April an ihn zu verkaufen. Aber was Peter wohl denkt? Wird er sie kaufen wollen oder nicht? Wir waren beide unsicher und waren gespannt auf den nächsten Tag.
Am 12.09.2021 um 11:30 Uhr kam Peter wieder an Bord. Um es kurz zu machen: er hat unsere April gekauft! Wie unglaublich, wir können es noch gar nicht richtig fassen (und er wahrscheinlich auch nicht). Die Verträge sind unterschrieben, wir haben eine Anzahlung bekommen und haben mit Rosé angestoßen. Wir freuen uns sehr, dass wir wie geplant April am Ende unseres Sommers verkaufen können. Peter wird mit April wunderschöne Segelreisen im Mittelmeer unternehmen und wir werden uns in Berlin ins Arbeiten stürzen und irgendwann in der Zukunft wieder ein Segelboot kaufen.
Der Plan ist, dass wir April in den nächsten Tagen mit viel Zeit und Ruhe nach Port-St.-Louis-du-Rhône segeln und am 21.09. aus dem Wasser holen. Dort wird sie dann an Land auf Peter warten und voraussichtlich im Frühling wieder ins Wasser kommen.
Zwar geht es beim Verkauf auch ums Geld, aber das ist nachrangig. Wichtiger ist es, dass wir bei Peter ein sehr gutes Gefühl haben und uns mit ihm sehr gut verstanden haben. Außerdem hat er April gesegelt, als würde er sie seit Jahren kennen!
Nachdem wir mit Rosé auf den Verkauf angestoßen und über das Boot, die weitere Planung etc. geplaudert haben, machte sich Peter um 14 Uhr mit der Fähre wieder auf den Weg nach Toulon und von dort über Marseille und Frankfurt nach München. Wir drei waren glücklich und zufrieden: Peter ist nun Bootseigner, wir haben mit einem guten Gefühl April in neue Hände gegeben.
Wir winkten Peter zu, er machte ein Foto von uns auf dem Steg und wir hatten währenddessen das Gefühl, dass alles gekommen ist, wie es sollte.
Anschließend liefen wir durch den kleinen Ort, aßen Crêpes und freuten uns über das schöne Wochenende. Dann arbeitete Oskar, ich machte mir einen gemütlichen Nachmittag und Abend. Wie es das Schicksal manchmal so will: es rief ein französischer Kaufinteressent an, der das Boot am Abend vorher im Hafen gesehen hatte und gerne besichtigen wollte. Zu spät, April hat bereits einen neuen Besitzer!